Die Geister schweigen

Der Titel des Buches von Care Santos ist etwas irreführend: bei diesem großartigen Buch handelt es sich weder um eine Geistergeschichte noch um einen Spukroman.

Vielmehr geht es in dieser Familiengeschichte um Amadeo Lax, einen (fiktiven!) Maler aus Barcelona. Die Familiengeister treten als Erzähler auf und nehmen uns mit durch die Zeit: angefangen bei den Großeltern und Eltern, treffen wir auch die Kinder und Enkel des Malers, und springen dabei durch die Jahre. Dies ist zwar am Anfang etwas verwirrend, dank der Zeittafel und des Stammbaums aber kein Problem.

Eine weitere Protagonistin ist Violeta, die Enkelin des Malers und selbst Kunsthistorikerin. Sie ist (in der Gegenwart) im ehemaligen Haus des Großvaters und wegen dessen Renovierung vor Ort, als merkwürdige zugemauerte Räume entdeckt werden. Es stellt sich heraus, dass einiges aus der Familiengeschichte etwas anders war, als Violeta vermutet hatte…
Im Laufe des Romans erhalten die Leser ein immer umfassenderes Bild der Familie, aber auch des Malers an sich.

Durch die verschiedenen Stilelemente (Roman, E-Mail, Katalogeintrag, und andere) liest sich das Buch sehr abwechslungsreich. Die Handlung begeisterte mich als Liebhaberin von Familiengeschichten, historischen Romanen und Biografien und besticht durch gerade diese Mischung.

Ein gelungenes Werk einer mir bisher unbekannten Autorin – und sehr lesenswert!

Care Santos: Die Geister schweigen
Krüger 2012.

Jodie Picoult: Zeit der Gespenster

Im Norden des US-Bundesstaates Vermont steht ein altes Haus, sein Besitzer ist im Pflegeheim und bereit es zu verkaufen. Der pontenzielle Käufer, ein Bauinvestor, will ein Einkaufszentrum auf dem Grundstück errichten. Doch der Protest der im Ort lebenden Indianer verhindert ein weiteres Vorgehen.

Gleichzeitig geschehen merkwürdige Dinge: der Boden gefriert im Sommer, es regnet Blüten. Der Grund, so munkelt man, ist ein alter Indianerfriedhof auf dem Grundstück – die Geister wehren sich gegen den Neubau. Spukt es im Haus?

Ross Wakeman hat bisher als Geisterjäger gearbeitet, die eigentliche Motivation für seine jahrelange Beschäftigung mit dem Thema ist aber der frühe Tod seiner Verlobten vor einigen Jahren. Er hofft, sie als Geist wieder zu sehen und den Unfall, der zu ihrem Tod führte, aufzuarbeiten. Als er vom örtlichen Polizisten gebeten wird, sich mit dem „Spukhaus“ zu beschäftigen, willigt er ein. Während seiner Arbeit trifft er die geheimnisvolle Lia und verliebt sich in sie.

Jodie Picoult schafft es mit dieser Geschichte, zahlreichen weiteren handelnden Personen (die Flut derer ist am Anfang des Romans etwas unübersichtlich) und einer Rückblende in die 1930er Jahre, einen Bogen zu spannen: Indianerkultur, Geister und Spukgeschichten (aber es ist keine Gruselgeschichte!), Eugenik und unschöne aber historische „Experimente“, die es in dieser Zeit in Vermont wirklich gab, fesseln die Leser ebenso wie die – natürlich – vorkommende Liebesgeschichte.

Unterschiedliche Einzelschicksale und die verschiedenen Themen machen das Buch zum Schluss doch rund, obwohl es einen anfangs wirklich erschlägt, sowohl was die Personen- als auch die Themenfülle angeht. Ich habe oft zurückgeblättert, um manche Zusammenhänge noch einmal nachzuvollziehen.

Alles in allem aber ein sehr lesenswertes Buch, das einen in unbekanntere historische Zusammenhänge der amerikanischen Geschichte mitnimmt und trotzdem unterhaltsam ist!

Jodie Picoult: Zeit der Gespenster. Piper 2010.