Um Weihnachten herum lief der Zweiteiler im Fernsehen: „Der Medicus“! Wie bei vielen Buchverfilmungen dachte ich anschließend: Gut gemacht, aber hat mit dem Buch nur am Rande etwas zu tun.
Aber es brachte mich dazu, mein altes, zerlesenes Exemplar mal wieder aus dem Regal zu kramen.
Ich erinnere mich an einen Sommerurlaub mit meiner Familie in Schweden: Wir hatten das Buch mitgenommen, weil jemand es lesen wollte. Da es so toll war, wollten die anderen auch, und wir lasen schließlich abwechselnd oder sogar zeitgleich darin, so sehr zog uns der Roman in den Bann.
Den „Medicus“ schrieb US-Autor Noah Gordon (*1926) als ersten Teil einer Trilogie, das Buch erschien 1986. The Physician war ein großer Erfolg, und die beiden weiteren Bände „Der Schamane“ und „Die Erben des Medicus“ wurden, soweit ich weiß, lange nicht so viel verkauft.
Der Film lieferte orientalische und wirkungsstarke Bilder, gefahrvolle und dramatische Handlungsstränge und eine Art Happy End. Worum geht es aber im Buch genau?
Das Buch
Der Roman beginnt im Jahr 1021 in England. Hauptfigur ist Rob, der zu Beginn des Romans als Kind kurz nacheinander seine beiden Eltern verliert.
Die Kinder werden daraufhin aufgeteilt. Rob, der Älteste, wird Gehilfe eines reisenden Baderchirurgen und zieht mit ihm von Dorf zu Dorf.
Vom Bader lernt er, wie dieser Kranke behandelt: Vom Zähne ziehen, einrenken oder Kräutertrünke verabreichen bis hin zu etwas Akrobatik, Heilkunst und viel Menschenkenntnis ist alles dabei.
Beim Bader
Rob merkt sehr früh, dass er eine Gabe besitzt. Hält er die Hände seines Gegenübers, merkt er, wenn dieser im Sterben liegt.
Dies führt allerdings auch zu einigen überstürzten Abreisen aus Dörfern. Die Kirche ging zu dieser Zeit nicht zimperlich mit vermeintlichen Hexen und Magiern um, Verbrennungen, Ertränkungen und andere Verurteilungen waren an der Tagesordnung. So muss Rob seine Gabe vorsichtig einsetzen.
Nach einigen Jahren beginnt Rob selber, Patienten zu behandeln und schließt bald seine Ausbildung ab. Der Bader, dem Trinken nicht abgeneigt, ist bald auf seinen jungen Kollegen angewiesen, der schließlich immer mehr Geld verdient als sein Lehrer.
Die Reise
Rob träumt davon, weiter zu lernen. Er trifft jüdische Ärzte, die ihm von Medizinschulen in Europa und im Orient erzählen. Als der Bader stirbt, beginnt Robs Reise: Er will ins ferne Isfahan (das heutige Teheran) fahren und dort bei dem berühmten Arzt Abu Sina studieren. Durch Frankreich, das heutige Deutschland, Österreich und den Balkan zieht er bis nach Konstantinopel.
Auf der langen Konvoireise lernt er Mary und ihren Vater kennen. Die junge rothaarige Schottin fasziniert Rob, und die beiden verlieben sich. Ein Heiratsangebot lehnt Rob allerdings schweren Herzens ab: Er will keine Schafe züchten, sondern weiter nach Isfahan ziehen und Medizin studieren.
Ein Umstand zwingt Rob in Konstantinopel zu einem Aufenthalt besonderer Art. Da die Lehrstätte in Isfahan nur Muslimen und Juden vorbehalten ist, Rob aber christlich getauft ist, muss er sich in einen Juden verwandeln. Er lässt sich die Haare und den Bart wachsen, kauft sich entsprechende Kleidung und wird zu Jesse ben Benjamin. Als Jude englischer Herkunft, so seine Geschichte, wurde er aufgrund wenig Kontakt mit dem eigenen Volk unwissend aufgezogen und spricht daher kein Hebräisch und kennt die Bräuche nicht.
In Konstantinopel schließt Rob sich drei Juden an, die wie er Richtung Isfahan reisen. Unterwegs lernt er viel über das Judentum und vertieft außerdem seine bisher schlechten Persisch-Kenntnisse.
Jesse ben Benjamin
In Isfahan angekommen, wird Rob nach einigen Schwierigkeiten schließlich an der madrassa, der Schule der Medizin, aufgenommen. Voller Neugier saugt er das neue Wissen ein, das neben der Lehre über Heilung auch Philosophie, Recht und Theologie umfasst.
Robs Tarnung als Jude ist perfekt, er lebt zurückgezogen und ist fleißig. Bis eines Tages die erneute Begegnung mit Mary alles verändert…
Kurz gesagt…
Natürlich will ich nicht alles verraten. Aber ihr merkt, wie fesselnd ich das Buch fand und mich auch beim erneuten Lesen (nach wahrscheinlich 20 Jahren 😉 ) wieder fasziniert hat. Der Autor erzählt teilweise sehr detailliert, schmückt auch Nebenfiguren oder -handlungen aus und beschreibt die damaligen Wissenschaften glaubhaft. Nach dem Lesen hatte ich das Gefühl, wirklich in Isfahan vor 1000 Jahren gewesen zu sein.
Der Medicus ist für mich daher ein wahrer Schmökertipp für alle, die wie ich gerne historische Romane lesen und sich in fremde Welten entführen lassen. Daher: Daumen hoch!!