Als ich heute morgen die Nachricht las, der schwedische Schriftsteller Henning Mankell sei gestorben, war ich betroffen. Natürlich? Natürlich. Aber für mich war Mankell ein wirklich besonderer Schriftsteller. Eine Art Nachruf…
Vielleicht kennt ihr das: Mit manchen Autoren (oder natürlich auch anderen Künstlern) verbindet euch etwas. Ich selber habe ja eine Weile in Schweden gelebt. Zu dieser Zeit kam Mankells Roman „Die fünfte Frau“ gerade dort auf den Markt.
Das schwedische Cover fand ich gruselig: Ein älter aussehender Puppenkopf, die Augen der Puppe starr gerade aus gerichtet, vor einem Hintergrund aus roten Rosen. Ich gebe zu: Das sprach mich nicht an, und Krimis las ich damals auch nicht. Erst später probierte ich dann schwedische Krimis, zuerst die vom Autorenduo Sjöwall/Wahlöö aus den 1960er und 70er Jahren. Irgendwann dann auch einen von Henning Mankell. Schnell war ich („dann doch“) begeistert.
Zugegeben: Die Krimis um den Kommissar Wallander sind wirklich nicht ohne, zimperlich sollte man als Leser nicht sein. Ob gruselige Arten, ein Opfer zu quälen oder zu töten, oder die Motive der Täter – für mich ergaben sich neue „Grausamkeitshorizonte“. Trotzdem beeindruckte mich Mankells Art zu erzählen, Spannung aufzubauen und Wendungen einzubauen.
Kommissar Wallander war ein Typ. Viele nach ihm kommende Hauptfiguren in (schwedischen) Krimis waren ähnlich verschroben. Kurt Wallander war – zumindest für mich – nach Sjöwall/Wahlöös Martin Beck der erste, der so ein Charaktertyp war. Ein geschiedener, mittelalter Mann, der sich um seine Tochter bemüht und mit seinem Vater auseinandersetzt. Der seinen Seelenfrieden sucht und von einem Haus und einem Hund träumt. Und der zuletzt an Alzheimer erkrankt und langsam in den Nebel geht.
Alles kein leichter Stoff, aber alles menschlich. Kein James Bond, der alle Probleme wegsprengt oder eine Wunderwaffe herauszieht, um sich zu retten. Sondern jemand, der mit seinen Fällen und seinen Mitmenschen ringt.
Aber Henning Mankell war noch vielfältiger. Er schrieb auch Romane – richtige also, ohne Kommissare und Leichen. Viele Bücher spielen in Afrika oder haben dazu einen Bezug. Es liegt nahe, warum: Mankell selber übernahm vor einiger Zeit ein Theater in Maputo (Mosambik) und lebte zeitweise auch dort. Sein Roman „Erinnerungen an einen schmutzigen Engel“ beeindruckte mich: Die Protagonistin wandert aus Schweden nach Afrika aus und beginnt ein ganz neues, eigenständiges Leben. Meine Buchbesprechung dazu könnt ihr hier lesen. Außerdem gehören auch Kinderbücher zu Mankells Gesamtwerk.
Das letzte Buch, „Kvicksand“ erschien 2014 (auf deutsch: „Treibsand“, September 2015), nachdem Mankell seine Krebsdiagnose erhalten hatte. Hier beschreibt der Autor Szenen seines Lebens, die für ihn im Rückblick eine bestimmte Bedeutung erhalten hatten. Beispielsweise ein Autounfall, in dessen Nachgang die Krebsdiagnose überhaupt erst gestellt wurde. Aber auch ein Gemälde oder ein Erlebnis seiner Grundschulzeit. Mankell schreibt ausdrücklich keine Biografie – aber ein sehr biografisches Buch, das es lohnt zu lesen. Nun leider noch mehr als vorher.
Irgendwann vor wahrscheinlich 20 Jahren besuchte ich tatsächlich einmal eine Lesung mit Henning Mankell in Hamburg. In der verriet er auch, dass sein Name vorne betont wird, also Mánkell ausgesprochen wird (und nicht endbetont, wie man es oft hört). An den Abend selber erinnere ich mich nur noch dunkel, weiß aber, dass mich seine klare Art sowie sein politisches und gesellschaftsliches Engagement sehr beeindruckten.
Ein Großer ist gegangen. Ich weiß, wir müssen alle gehen. Aber Mankells Werk beeindruckte mich und prägte mich – und sei es nur bei der Auswahl meiner Lektüre. Vielen Dank dafür, lieber Henning Mankell!
Und vielleicht ist es Zeit, die zerlesenen Bücher wieder einmal aus dem Schrank zu holen und darin zu stöbern…